BLC-Sports 06-2001: EPO! –> EPO?

Die meisten von uns kennen es, dieses Wort: EPO
Wir alle finden es schlimm, wenn die grossen Rundfahrten im Radsport durch Dopingfälle (u.a. durch EPO) zur Lachnummer werden.
Die halbe finnische Langlauf-Nationalmannschaft musste wegen Missbrauch zurücktreten.

ABER:

Wer weiss schon, was EPO ist?
Wer weiss, wie EPO einem Sportler hilft?
Wer hat schon von EPO im Fussball gehört?

Einführung:
Seit vielen Jahren wird im internationalen Hochleistungssport das verbotene Dopingmittel Erythropoietin (EPO) verwendet. Mit dem Dopingskandal bei der Tour de France `98 wurde zum ersten Mal das Ausmaß von EPO-Doping sichtbar.
Bald wurde bekannt, dass auch in anderen Ausdauersportarten wie z.B. der Leichtathletik oder dem Schwimmen mit EPO gedopt wird. In Italien beschäftigt sich seit Ende 1999 die Staatsanwaltschaft mit der Aufklärung des „Falles Conconi“, der bislang als der bedeutendste nationale EPO-Skandal angesehen werden kann.
Wissenschaftler forschen intensiv nach EPO-Nachweisverfahren. Als Zwischenlösung könnten freiwillige Bluttests gelten, um individuelle Profile des körpereigenen Erythropoietin (EPO) zu erstellen.

Steckbrief: Erythropoietin
„Das Hormon Erythropoietin wird in den Nieren gebildet und wandert von dort in die Milz und ins Knochenmark, wo es die Produktion roter Blutkörperchen anregt. Mit der Zahl dieser Zellen wächst die Fähigkeit, Sauerstoff von der Lunge in die verschiedenen Gewebe des Körpers zu transportieren- und damit auch das Leistungsvermögen. Während bei gesunden Menschen täglich etwa 200 Milliarden rote Blutzellen neu gebildet werden, müssen besonders Nierenkranke mit einem Bruchteil dieser Zellen auskommen. Ständige Müdigkeit, Leistungsschwäche und Antriebslosigkeit sind die Folgen.
Schon lange bevor Erythropoietin (Epo) als Dopingmittel für Radfahrer in die Schlagzeilen geriet, hat das gentechnisch hergestellte Eiweiß weltweit die Lebensqualität hunderttausender von Dialysepatienten enorm verbessert. Weltweit erhalten etwa 350 000 Menschen regelmäßige Epo-Injektionen und viele, die zuvor ans Haus gefesselt waren, konnten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Außerdem erspart das Medikament 98 Prozent dieser Patienten die Bluttransfusionen, die in der Vergangenheit trotz aller Vorsichtsmaßnahmen
immer wieder zu Infektionen führten – beispielsweise durch Hepatitis-Viren.

Menschen, die vor einer größeren Operation das Infektionsrisiko durch eine Transfusion mit fremdem Blut vermeiden wollen, wird heute in vielen Kliniken die Möglichkeit der Eigenblutspende geboten: Wenige Tage vor dem Eingriff erhalten sie dann eine Spritze mit Epo, was die Ausbeute der „Bluternte“ deutlich verbessert. Bei der Operation kann dann auf die eigenen Konserven zurückgegriffen
werden. Bei einigen Zeugen Jehovas erlaubte Epo lebensrettende Eingriffe, die sonst wegen der Ablehnung von Transfusionen aus religiösen Gründen nicht möglich gewesen wären.“ (Michael Simm)

„Das Hormon Erythropoetin (EPO) steuert die Proliferation und Differenzierung der erythropoetischen Vorläuferzellen. Es ist relativ hitze- und pH-unempfindlich und wird überwiegend in den den Nieren und in geringem Maße in der Leber gebildet. Bei akutem Blutverlust oder Abfall des arteriellen O2-Druckes steigt die EPO-Aktivität im Blut innerhalb weniger Stunden an und erreicht nach 1-3 Tagen einen Maximalwert. Auch bei Fortdauer des hypoxischen Reizes nimmt die EPO-Aktivität in der Regel wieder ab. Daher können mäßig
erhöhte Werte bei chronischer Anämie oder Hypoxie nicht sicher mit Spitzenwerten bei akuter Hypoxie verglichen werden. Da die EPO-Synthese tagesrhythmischen Schwankungen, mit einem Maximum um Mitternacht und einem Minimum in den Morgenstunden, unterworfen ist empfehlen sich für Verlaufskontrollen feste Entnahmezeiten.
Während der Schwangerschaft steigt der EPO-Spiegel auf das 3-4-fache an. Eine Alters- oder Geschlechtsabhängigkeit sowie zyklusbedingte Schwankungen wurden dagegen nicht beschrieben.“ Dr. med. Claus Fenner

EPO – Doping im Radsport
Ich bin überzeugt, dass einige Radsportler verbotene Substanzen nehmen. Ich habe dies in meiner eigenen Karriere schon erlebt. Ich musste teilweise das Zimmer mit Fahrer teilen welche ihren Körper richtiggehend ruinierten. Ich bin aber überzeugt, dass gute Leistungen ohne Doping möglich sind. Während meiner Sport-Karriere kann ich mit gutem Gewissen behaupten, nie verbotene Substanzen genommen zu haben. In diesem Zusammenhang ist es für nicht Spitzensportler wichtig zu wissen, dass Radsportler sehr wohl wissen was
Doping ist, die Wirkung und Nebenwirkung der fraglichen Produkte meistens seriös abklären und verbotene Substanzen mit grosser fachlicher Kompetenz erkennen. Dies ist wichtig um überhaupt seriös Spitzensport zu betreiben.

Das Problem liegt meiner Meinung nach nicht alleine bei den Fahrern, sondern auch bei den Verantwortlichen sowohl auf der Seite der Verbände, als auch bei den Organisatoren.

Das zur Zeit brennendste Thema ist das EPO. Es gibt einige Leute welche kein EPO brauchen und trotzdem relativ hohe Hämatokit Werte besitzen. Solche Fahrer sind aber in der Minderheit, sie brauchen kein EPO, sie haben eine erhöhe Ausdauerleistungsfähigkeit und sind gegenüber normalen Rennfahrern bevorteilt. Dass die demnach benachteiligten zu Möglichkeiten greifen, welche Ihre Leistung an diese Fahrer angleichen ist verständlich. Die Reglemente müssten aber gerechter sein. Wenn Hämatokrit -Werte als Grenzwerte vorgegeben werden (bei den Herren 50%) hat man bei einer Rundfahrt mit einem Wert von 40% keine Chance. Wenn aber während der Rundfahrt von 3 Wochen nicht mit Mitteln nachgeholfen wird, so ist bedingt durch die Intensive Leistung gegen Ende einer 3-wöchigen Rundfahrt der Wert automatisch ca. 10 Punkte tiefer, auch bei den von Natur aus bevorteilten. Die Reglemente (verlangen) begrenzen aber immer 50%. Einen Dopingmissbrauch durch EPO konnte in der Vergangenheit nur bei den Dummen nachweisen welche sich erwischen liessen. Fahrer welche nicht mit höheren Werten als zulässig erwischt werden sind nur durch aufwendige (nicht übliche) Untersuchungen zu überführen. Ich persönlich erachte es als Unsinn EPO als Produktespezifikation in der Dopingliste zu führen, ohne die geeignete Nachweismethode zu besitzen. Es ist aber sicher sinnvoll den Hämatokrit -Wert zu begrenzen. Dies dient im besonderen der Gesundheit der Fahrer, und beugt anderen noch viel dümmeren und unethischeren Massnahmen vor. Es gibt durchaus denkbare Möglichkeiten die roten Blutkörperchen
mit anderen Massnahmen als durch EPO spritzen zu erhöhen. Leider sind wie eingangs erwähnt die Verantwortlichen schneller bereit, Sanktionen zu ergreifen, als gerechte Reglemente auszuarbeiten und durchzusetzen. Fairen Sport heisst nämlich auch, dass alle gleich behandelt werden. In den Dopinglisten ist auch Koffein als Produkt enthalten. Damit dies Sinn macht wurde ein Grenzwert angegeben. Das bedeutet einen Kaffee darf man trinken ohne sanktioniert zu werden.
Als anfangs 1998 im Radsport die Hämatokritwerte begrenzt wurden, weilman EPO bis dahin nicht nachweisen konnte, so wurde dies bei den Spitzenfahrern als faktische Legalisierung des EPO verstanden. Hier haben es die Verantwortlichen klar versäumt auf die effektiven Tatsachen hinzuweisen.

Ungeachtet der Problematik haben Dopingkontrollen ihren Sinn, da sie durch die damit verbundene Diskussion auf die begrenzte Wirksamkeit der einzelnen Substanzen aufmerksam machen und damit verdeutlichen, dass individuelle Höchstleistungen
letztlich doch nur durch eine entsprechende Trainingsarbeit und nicht durch die Einnahme einer vermeintlichen „Wunderdroge“ erreicht werden können.

Das Dopingverbot wie wir es heute kennen versucht den ethischen Grundsätzen, sportpsychologischen- und sportpädagogische Argumenten gerecht zu werden.Die wichtigste Grundlage des Dopingverbotes liegt aus sportmedizinischer Sicht sicher in der potentiellen Gefährdung der Gesundheit der Sportler.

Um Glaubwürdig zu bleiben müssen also zukünftige Verbote oder Gesetze welche das Doping betreffen auf diese Argumente Rücksicht nehmen.
Das EPO Problem ist nur ein Punkt in dieser Geschichte. Gerade in Hinblick auf die Gefährdung der Gesundheit müssen kompetente Leute mit dieser Aufgabe betraut werden, denn was in der letzten Zeit für falsche Aussagen auf diesem Gebiet gemacht wurden, lässt an der Glaubwürdigkeit von Ärzten zweifeln. Gerade diese Berufsgruppe müsste sich aber um die gesamte Problematik bemühen, den sie sind die wahren Sünder in der Vergangenheit. Dass die Justiz in Frankreich Ihre Gesetze durchsetzt ist richtig. Aber sind Gesetze sinnvoll, wenn nicht alle gleichzeitig kontrolliert werden? Müssten nach diesen Gesetzen nicht auch in gewissen Chefetagen Kontrollen durchgeführt werden? Sind die Apotheker welche Dopingmittel (rezeptfreie Produkte) verkaufen nicht Doping-Händler ? Doping ist nicht ein Wort welches nur im Sport Verwendung findet! Jeder Mensch welcher Doping nimmt ist gedopt!

Was die Gesetzgebung anbelangt muss man sich in der heutigen Gesellschaft die Frage stellen „Was wollen wir eigentlich“ Gerechtigkeit, Fairness und Ethik sollten die Eckpfeiler der Gesetze sein. Aber diese Schlüsselworte werden von allen Menschen anders Interpretiert. Medikamente dürfen aus ethischen Überlegungen nur aus Medizinisch indizierten Gründen verabreicht werden. Müsste man demnach alle Ärzte welche Schönheitsoperationen oder prophylaktische Massnahmen treffen oder Forschung betreiben einsperren?
Konsequenterweise schon, denn Sportärzte welche bereit sind Medikamente einzusetzen um die Gesundheit eines Sportlers zu erhalten sind in den Augen der Dopinggesetze, und der Öffentlichkeit Verbrecher und werden in Frankreich eingesperrt. Wo hier Ethisch richtige Ansätze sind, welche vom Fairness-Prinzip gestützt werden, lässt sich einfach sagen. Mit Sicherheit können die oberflächlichen Presse-Berichte im Juli 1998 nicht zu einem solchen Ansatz beitragen. Eine Kommission aus Personen welche mit der Problematik vertraut
sind, würde sicher Lösungen erbringen, welche dem Sport das Ansehen zurück bringt. Eine solche Kommission müsste aber auch dem Gleichberechtigungs-Prinzip folgend wirtschaftliche Zusammenhänge berühren und dies dürfte den Politikern sicher missfallen, wenn man dabei an die Wettbewerbsgesetze denkt.Aus diesem Grund stellt sich wieder einmal die Forderung, dass die Sportinteressierten
eine stärkere Lobby in der Politik haben müssten, um wirkliche Veränderungen durchzusetzen.
Daniel Müller, im Juli 1998

EPO im Fussballsport?!
Den Gebrauch von EPO im Fussball kann sich (Wilfried Kindermann) … dagegen nicht vorstellen (FAZ, 26.7.99). Dessen Anwendung wäre nicht so wirkungsvoll, weil im Fussballsport die Leistungsanforderungen viel komplexer sind. Im Radsport macht Ausdauer vielleicht 95 Prozent der Leistung aus, bei einem Fussballer ist sie nur einer von mehreren Faktoren (FAZ, 26.7.99). Der belgische Mediziner Michel D’Hooge warnt zwar wie Wilfried Kindermann vor zu vielen Terminen der Nationalspieler und vertritt zudem die Auffassung, dass Doping im Fussball noch kein über die Maßen gravierendes Problem sei (FAZ, 28.9.99).
Aber: Der immer wieder gern gepflegten Vermutung, Doping bringe im Fussball nichts, kann D`Hooge gar nichts abgewinnen. Er ist davon überzeugt, ohne es beweisen zu können, dass es auch in seinem Sport genügend Epo-Konsumenten gebe (FAZ, 26.9.99).

Bezüglich des Einsatzes von Erythropoietin (EPO) in einigen Ausdauersportarten machte der französische Arzt Gérard Dine in einem Gespräch mit „Le Monde“ eine bemerkenswerte Aussage: … seit 1995 seien in den Ausdauersporten wie Skilanglauf, Radsport und Langstreckenlauf alle internationalen Spitzenleistungen nur noch mit dem Gebrauch von EPO erklärbar (FAZ, 11.5.99).
Dieter Baumannn schreibt in seinem Beitrag für die STZ (18. 11.98): „Für Epo gibt es keine Kontrolle, und damit stehen alle Ausdauerathleten unter Verdacht.“

Andreas Breidbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln (Leiter.* Wilhelm Schänzer) wird in der FAZ (8.5.99) zitiert: „Es wäre hilfreich, wenn man den Leuten, die (verbotenerweise) EPO gebrauchen, wenigstens ein schlechtes Gefühl geben könnte.“ Zudem hält er „die derzeitigen Testverfahren auf der Basis des Hämatokritwertes … wie sie vom internationalen Radsportverband sowie im Skilanglauf und im Biathlon praktiziert werden … für ungeeignet, um den Missbrauch (von) EPO nachzuweisen (FAZ1 8.5.99). Hämoglobin wäre besser sagte … (Olympiaarzt) Joseph Keul. „Es ist leichter zu messen und verändert sich nicht im Teströhrchen (FAZ, 8.5.99). Dahingehend äußert sich auch der französische Sportarzt Gérard Guillaume in „Le Monde“; (24.7.99): Der Hämatokritwert ist nur ein Parameter, …“. „Man könnte auch den Hämoglobinwert angeben. Das ist interessant, selbst wenn die Schwankungen nicht so signifikant sind“.
A. Donati teilt in einem Interview mit dem „Spiegel“ (24. 1.2000) mit: „Statt nur den Hämatokritwert zu messen, werten wir in Italien
jetzt fünf Parameter der Blutproben aus“.

QUELLEN:
www.leistungssport.com
und http://www.tu-bs.de

Nachfolgend zum Download das Doping-Tagebuch des Radfahrers Tyler Hamilton, welches beschlagnahmt wurde. (aus der NZZ am Sonntag vom 27. August 2006)

Doping-Tagebuch Tyler Hamiltion

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