Das Geheimnis der Zahl 11
Keine andere Schweizer Stadt hat einen solchen Zahlenspleen wie Solothurn. Doch was ist dran an dieser 11?
Der Business Lunch Club besuchte in der Vergangenheit ja auch schon die Stadt Solothurn, vor allem die Öufi-Brauerei welche die Zahl 11 im Logo hat und in diesem Artikel ebenfalls erwähnt wird.
Quelle: Schweiz am Sonntag, 19.01.2014, von Gregor Waser
Leicht verrückt sind sie ja schon, die Solothurner. Andere Städte werfen zwar auch ab und zu einen Blick auf bestimmte Zahlen: Basel etwa, wenn es darum geht, die Tage bis zum Fasnachtsbeginn zu zählen; oder Zürich, beim Zählen der mittlerweile 233 Derbys zwischen GC und dem FCZ; oder St. Gallen, mit der Festlegung des Gewichtes der Olma-Bratwurst bei 160Gramm.
Doch so magisch und allgegenwärtige wie die 11 in Solothurn ist nirgends sonst eine Zahl. Und zwar schon seit langem – und über die Jahre weg in zunehmendem Mass.
11 Kirchen gibt es in der Kantonshauptstadt zu bestaunen und 11 Kapellen. In der Sankt-Ursen-Kathedrale gibts 11 Glocken, 11 Altäre, 11 Türen. Solothurn hat 11 Stadtplätze, 11 Steinbrüche, 11 Tore, 11 historische Brunnen und 11 Schanzen. Und Solothurn soll der 11. Stand der Eidgenossenschaft sein.
Über den Ursprung gibt es verschiedene Quellen. 1988, zur 1000-Jahr-Feier der Solothurner Märkte und zur Austragung der Solothurner Herbstschau – der elften, versteht sich – wurde ein vom Journalisten Werner Berger geschriebenes Büchlein zum Thema herausgebracht.
Daraus geht hervor, dass Solothurn 1252 erstmals geschichtlich erwähnt wurde und bald darauf über 11 Ratsmitglieder verfügte.
MIT DER STADTGESCHICHTE täglich konfrontiert und bestens vertraut ist Marie-Christine Egger. Seit Ende der 80er-Jahren führt sie Stadtführungen durch, in der Regel Theaterführung, bei denen sie sich mit Kostümen vergangener Zeiten kleidet und in «Ich»-Form erzählt und Touristen und Interessierte durch ihre Stadt führt. Eine ihrer Lieblingsrollen ist die der Madame de Coin, einer Patrizierdame, mit Reifrock und Perücke. Dabei erzählt sie vom prunkvollen Leben am Ambassadorenhof, von Puder und Parasiten.
In einer weiteren Rolle führt sie als Marketenderin mit der Trommelflöte durch die Gassen der Stadt. Und als Bettelweib erzählt sie aus der Unterschicht.
Total verfügt sie über –nein, nicht 11, sondern 30 verschiedene Kostüme.
Auf den Ursprung der Zahl 11 angesprochen, sagt Marie-Christine Egger, dass dieser bei den Zünften liege: «Im 14. Jahrhundert haben die Bürger 11 Zünfte gegründet. Und die wiederum haben dann 11 Alträte gestellt und in der St.-Ursen-Kathedrale 11 Altäre aufstellen lassen». Und sie taucht ein in vergangene Zeiten, erzählt vom keltischen Ursprung, wie die Römer Castrum Salodurum gründeten, von den Stadtheiligen Urs und Viktor, die enthauptet wurden, den Reliquien, der Wallfahrt und dem Einzug des königlichen Hochburgunds.
«Wir haben hier 2000 Jahre Weltgeschichte auf kleinstemRaum. Hier drehe ich mich dreimal um und kann dreimal etwas erzählen», sagt Marie-Christine Egger.Die Kompaktheit sei enorm.
AUF DIE 11 ZÜNFTE folgten also die 11 Alträte, daraufhin zweimal 11 Jungräte, dreimal 11 Kleinräte, sechsmal 11 Grossräte – und dann nahm der Solothurner Elferfokus zunehmends eine Eigendynamik an, bis zur spielerisch-kreativen Auslegung.
So ist denn Solothurn streng genommen nicht der elfte Stand der Eidgenossenschaft.
Denn auf die achtörtige Eidgenossenschaft folgten 1481 Freiburg und Solothurn, vorerst mit eingeschränkten Rechten. 1501 trat Basel ein und wurde den beiden in der Reihenfolge dann aber vorangestellt. Dadurch rückte Solothurn in den elften Rang.
Auch Marie-Christine Egger nimmt die Zahlenmanie mit einem Schmunzeln: «Ja, mit einem bisschen Fantasie lassen sich elf Brunnen zählen, wobei wir noch ein paar weitere haben.» Um die 50 Brunnen dürften es heute sein.
Doch was historische Brunnen betrifft, stimmt die Zahl. «Das vermutliche Bestreben Solothurns, seine monumentalen öffentlichen Brunnen auf 11 zu steigern, brachte es mit sich, dass es im Verhältnis zu seiner Grösse unter allen Schweizer Städten die brunnenreichste wurde», schreibt Fritz Wyss in seinem Buch «Die Stadt Solothurn».
DAS MEISTERWERK der «magischen 11» bildet die St.-Ursen-Kathedrale. Der Baumeister Gaetano Matteo Pisoni aus Ascona war 1762 von der Elfer-Atmosphäre dermassen angetan, dass er die Kirche darauf abstimmte. So misst der Glockenturm 6 x 11 Meter, im Turm hängen 11 Glocken und 11 Altäre schmücken die Kathedrale, die nur von einem einzigen Platz im Hauptgang sichtbar sind: vom elften schwarzen Stein aus. Auch der Künstler Paul Gugelmann liess sich von der Zahl inspirieren und schuf 1999 die «Solothurner Uhr»: Sie ist an der West-Fassade der UBS-Filiale am Amtshausplatz befestigt. Sie zählt nur elf Ziffern und um elf Uhr bimmeln die Glocken das Solothurner Lied.
Ob Historie, Magie oder Spleen, an der 11 führt in Solothurn kein Weg vorbei.
Die lokale Öufi Brauerei stellt Öufi-Biere und Öufi-Whisky her. Die «Grüne 11» nennt sich die Nachhaltigkeitsinitiative beim FC Solothurn, über dessen Anzahl Spieler pro Mannschaft wir uns an dieser Stelle aber nicht äussern.
Marie-Christine Egger führt zwar nicht eigens eine Elfer-Führung durch, doch sie baut die Thematik insbesondere bei den Mittelalter-Führungen ein (www.solothurn-stadtfuehrungen.ch). Für sie eines der spannendsten «Öufis» ist im Naturmuseum, einem der elf Solothurner Museen, auszumachen: «Das Foucaultsche Pendel bewegt sich hier jede Stunde um elf Grad».